Kasbah von Agadir

Agadir - Kasbah Parkplatz vor der Kasbah






Übersicht



Unübersehbar ragt ein festungsartig gesichertes Areal auf der Spitze der höchsten Erhebung von Agadir über die Stadt und dokumentiert gleichzeitig die historisch geprägte Vergangenheit des Ortes, obgleich andere Symbole aus diesen Zeiten nicht mehr existieren. Es handelt sich um die Kasbah von Agadir (Agadir Oufella), einem Bauwerk, das mehr als vier Jahrhunderte schon an dieser Stelle vorhanden ist. Die Kasbah wurde zum Schutz vor den Angriffen der portugiesischen See- und Landstreitkräfte von der marokkanischen Dynastie der Saadier errichtet und bestand exakt bis zu jenem Tag im Jahr 1960, als plötzlich die Erde bebte.


Agadir - Kasbah In arabischer Schrift steht am Abhang der Kasbah zu lesen: Gott - König - Vaterland

Map Agadir


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Kasbah


Was ist eine Kasbah? Dieser Name steht für eine Art von Medina, eine islamische Stadt oder eine Festung (Zitadelle) oder einen Turm. In den al-Baha und Asir Provinzen von Saudi-Arabien und im Jemen bezieht sich das Wort "qasaba" in der Regel auf einen einzigen Stein oder Felsenturm (Turm auf einem Felsen), entweder als Teil eines Hauses (wehrhaft) oder auf einen Turm auf einem Hügel. Das Wort in der arabischen Sprache (al-qaṣbah) meint aber eine Zitadelle. In Marokko gibt es die sogenannte Straße der Kasbahs (von Ouarzazate in Richtung Dades-Tal und später auch weiter im Süden durch das Drâa-Tal), womit die Route durch den südlichen Hohen Atlas gemeint ist, an der zahlreiche festungsähnliche Bauwerke liegen, die hier aus Lehm errichtet wurden und in denen einige Stämme der Berber leben. Die Kasbah in Agadir wurde hoch über dem Hafen errichtet- in etwa 240 Meter Höhe über dem Meeresspiegel.


Agadir - Kasbah Detail eines Turms der Festung



Agadir Oufella


Es verwundert, wie viele Menschen dort einst lebten in den kleinen und engen Gassen der durch gewaltige Mauern und Türme gesicherten Kasbah von Agadir (Agadir Oufella). Ihre in Längsrichtung gemessene größte Ausdehnung beträgt über 400 Meter und ihre Breite an der größten Stelle 150 Meter. Zahlreiche alte Kanonen auf Holzgestellen sicherten einst die kleine Stadt innerhalb der Kasbah, die zeitweise bis zu 1000 Menschen beherbergte. Unterhalb der Kasbah, 150 Meter über NN, befinden sich die Reste des portugiesischen Forts. Noch etwas tiefer - oberhalb der Bucht - befand sich die Siedlung Founti (Founty), entstanden wahrscheinlich aus einem Fischerdorf.


Agadir - Kasbah Blick auf Hafen und Kasbah - Historische Aufnahme aus dem Jahr 1905 - Bildquelle: Wikipedia (gemeinfrei)


Im Südwesten der Kasbah gab es einst eine Moschee mit großem Minarett (1540), die noch von den Saadiern errichtet wurde, ein Militärkrankenhaus, einen Souk, eine Medina, ein kleines Open Air Theater, ein maurisches Café, verschiedene Wohnviertel u.a. auch ein jüdisches Viertel, die sogenannte Mellah. Die kleinen Gassen führten zumeist an der Stadtmauer entlang, denn die enge Bebauung innerhalb der Kasbah nutzte jeden Meter auf dem Plateau. Im Süden der Kasbah, dort, wo sich damals wie heute der Eingang befindet, befand sich auf der inneren linken Seite das Hospital und östlich davon die Mellah.

Das nachfolgende Video dokumentiert aufgrund alter Fotoaufnahmen, Luftbildern alter und neuer Herkunft, alten Plänen und Zeichnungen und sehr vielen Fotos und Postkarten aus dieser Epoche - der Zeit vor 1960 - die Besiedelung des Hügels von Agadir. Im Hintergrund wird die kleine Dokumentation begleitet von einem Lied in französischer Sprache- eine Liebeserklärung an die Kasbah Agadir Oufella.



Agadir - Kasbah Detail der Festungsmauern



Erdbeben


29. Februar 1960 - in Deutschland wird an diesem Tag Karneval gefeiert, denn es ist Rosenmontag und naturgemäß der höchste Karnevalsfeiertag, begleitet von den Karnevalsumzügen in den Städten an Rhein, Ruhr und Main. Am Abend dieses Tages feierten die Einwohner Agadirs den dritten Abend des Ramadan. Zahlreiche Europäer machen hier Urlaub, sind dem Winter entflohen, vielleicht auch vor dem Karneval, logieren in neugebauten, modernen Hotels in der Ville nouvelle mit Blick auf den Hafen und die Bucht von Agadir. In der Vorwoche gab es mehrere leichte Beben und einige Erschütterungen. Man dachte sich nichts dabei, denn Agadir lag nicht in einer Erdbebenzone.


Agadir - Kasbah ...zerstörte Mauer innerhalb der Kasbah...


Am Vormittag dieses Tages kam es zu einer schweren Erschütterung, die aber nur von kurzer Dauer war. Dann, in den Nachtstunden dieses Tages um etwa 23.41 Uhr erschütterte ein Erdbeben der Stärke 5,3 auf der Richterskala Agadir und zerstörte in etwa 15 Sekunden die Kasbah (Agadir Oufella) und das Viertel Talborjt zusammen mit dem europäischen Viertel Ville nouvelle sowie Teile des Hafens. Zwischen 12.000 bis 15.000 Menschen sollen dabei ihr Leben verloren haben. Die genaue Zahl ist bis heute unbekannt, da nur die Europäer amtlich registriert waren, die Einwohner aber zahlenmäßig nicht alle erfasst wurden. Dieses Erdbeben war die größte Naturkatastrophe in Marokko.


Agadir - Kasbah Mauerreste und Fundament des Minarett der Moschee innerhalb der Kasbah

Hilfsmaßnahmen


Unmittelbar danach setzten die ersten Hilfsmaßnahmen ein. Zu den ersten internationalen Hilfskräften vor Ort gehörten die in Agadir stationierten Marinekräfte der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Auch Spanien unterstützte von Sidi Ifni aus die Rettungsmaßnahmen, weiterhin die Vereinigten Staaten von Amerika, die zu diesem Zeitpunkt mehrere Stützpunkte in Marokko unterhielten. Sie richteten auch eine Luftbrücke zu ihren Basen in Deutschland ein, um die Rettungs- und Hilfsmaßnahmen mit massiven Personen- und Materialtransporten wirksam zu unterstützen. Auch Deutschland ist mit der Bundeswehr vor Ort- dieses war übrigens der erste Auslandseinsatz der Bundeswehr.


Agadir - Kasbah Areal innerhalb der Kasbah - man sieht deutlich einen Torbogen auf dem Boden...

Viertel Talborjt Alt


Am nächsten Tag besuchte König Mohammed V. das Katastrophengebiet und beauftragte den Thronfolger Prinz Moulay Hassan (später König Hassan II.) mit der Leitung der Rettungsmaßnahmen. Das gesamte Gebiet wird innerhalb von zwei Tagen evakuiert, Verletzte werden über den damals schon bestehenden Flughafen Agadir bis in die Krankenhäuser von Casablanca ausgeflogen. In den Folgejahren wurde südlich der zerstörten alten Ansiedlung mit internationaler Hilfe eine neue Stadt gebaut. Von der alten Bausubstanz sind nur spärliche Reste erhalten. Das Erdbebengebiet ist ein relativ großes Areal und bis heute unbebaut geblieben.


Agadir - Viertel Talborjt ...eines der letzten Häuser des alten Viertels...


Eine spärliche Grasnarbe überdeckt das Gebiet, wo einst eine ganze Stadt stand, kaum ein Baum ist zu bemerken, allenfalls etwas Gestrüpp und kleinere Büsche. Eine breite Treppenanlage führt auf einen Hügel, wo einst u.a. die städtischen Verwaltungsgebäude standen. Unwillkürlich denkt man den massiven Einsatz von Desinfektionsmitteln, damals- als die Seuchengefahr gebannt werden musste. Die zerstörten und beschädigten Gebäude innerhalb der Kasbah wurden abgerissen und das Gelände planiert. Von der einstigen wunderschönen Kasbah sind nur die Umfassungsmauern erhalten geblieben. Das Viertel Talborjt wurde komplett abgerissen und weiter südlich wieder aufgebaut. Die Schweiz errichtet innerhalb von zwei Jahren ein neues Viertel- das Quartier Suisse.


Agadir - Viertel Talborjt Treppenanlage ins alte Viertel Talborjt, 300 m vor der Kreuzung Essaouira/Marrakech auf der rechten Seite in dieser Richtung



Museum Alt-Agadir


Im neuen Viertel Talborjt an der Kreuzung der Avenue président Kennenedy mit der Avenue des Forces Armee Royales befindet sich in einem Hauptgebäude des Jardin de Olhão das Museum der Stadtgeschichte Agadirs vor 1960. Das Museum in diesem historisch nachempfundenen Gebäude erinnert an die schreckliche Zerstörung Agadirs 1960 durch ein schweres Erdbeben. Hier werden die ehemaligen Gebäude der Stadt durch Fotos dokumentiert, alte Pläne zeigen die erste Ansiedlung Anfang des 19. Jahrhunderts und den Bau des Viertels Talborjt zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach der Annektion durch Frankreich. Zeitungen und Briefmarken erinnern an das Unglück vom 29. Februar 1960. Pläne und Fotos dokumentieren die Kasbah auf dem Berg, die ebenfalls zerstört und nie wieder aufgebaut wurde.


Agadir - Park Jardin d'Olhao - Historischer Park in Agadir - Eingang zum Museum

Weitere Informationen:


Hier finden Sie weitere Informationen zum Erdbeben von Agadir:

Bilder vom Unglück - Videos: www.pbase.com/beunard/agadir_earthquake


Geschichte Agadir


Bevor ich mit den Recherchen zu diesem Artikel begann, glaubte ich, dass die Vorgeschichte der Stadt Agadir nur wenig hergeben würde. Das liegt insbesondere daran, dass die heutige Stadt so modern und eher untypisch für ein orientalisches Land wirkt und es kaum bauliche Hinterlassenschaften gibt, die einen Hauch von Geschichte erahnen lassen außer der Kasbah (Agadir Oufella), von der allerdings auch nur noch die Außenmauern stehengeblieben sind. Doch je mehr ich mich in die Historie der Stadt vertiefte, um so deutlicher sind mir die Beziehungen aufgefallen, die Europa mit diesem Ort verbunden haben und die selbst heute noch bestehen bzw. durch den Tourismus noch ausgeprägter sind...

Weitere Informationen zur Geschichte der Stadt Agadir in Marokko finden Sie hier....!



Agadir - Kasbah ...links im Bild die Reste des portugiesischen Forts unterhalb der Kasbah....

Neue Medina


Am 29. Februar 1960 reichten etwa 15 Sekunden aus, um die historische Altstadt von Agadir total zu zerstören. Das Epizentrum lag genau unter der Medina, so dass kein Stein auf dem anderen blieb. Es gibt heute so gut wie keine Überreste mehr zu besichtigen- bei der obligatorischen Stadtrundfahrt wird daher lediglich der Standort mit Mauerresten gezeigt. Ein Mann aus Italien, genauer gesagt aus Sizilien, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Altstadt an einem anderen Ort in der Nähe von Agadir originalgetreu wieder zu errichten....

Weitere Informationen zur Neuen Medina von Agadir in Marokko finden Sie hier....!



Agadir - Neue Medina Impressionen aus der Medina

Jardin de Olhão


In Agadir gibt es mehrere Parks und Gärten. Einer der schönsten öffentlichen Gärten der Stadt ist der Jardin de Olhão. Dieser Garten dokumentiert die Städtepartnerschaft der Stadt Agadir mit der portugiesischen Stadt Olhao. Die Gestaltung des Parks erinnert auch an die historischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die etwa seit Beginn des 16. Jahrhunderts bestehen. Mögen sie auch nicht immer gut gewesen sein, so legte man trotzdem Wert auf gute Handelsbeziehungen....

Weitere Informationen zum Jardin de Olhão in Agadir in Marokko finden Sie hier....!



Agadir - Park ...historischer Park Jardin de Olhão

Quellenangabe:


Die Informationen zum Erdbeben in Agadir 1960 basieren auf dem Artikel Erdbeben von Agadir 1960 (17.02.2010) und stammen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und stehen unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.


Fotos Kasbah von Agadir












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